So lebt eine Hildesheimerin während der Corona-Krise in New York

Bründeln/New York - Aufgewachsen in Bründeln, Abitur in Hildesheim – jetzt betreibt Saskia Hochschild ein Café in Harlem. Wie geht es ihr dort, an einem der Hotspots der Corona-Krise?

• von Tarek Abu Ajamieh
• Veröffentlicht am: 9. Apr 2020 - 6:00 Uhr

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Saskia Hochschild betreibt seit sechs Jahren ein Café im New Yorker Stadtteil Harlem.
Foto: privat

New York gilt in diesen Tagen als Epizentrum der Corona-Krise. Immer neue Rekordzahlen an Infektionen und Todesopfern meldet die Metropole, die in weiten Teilen zu einer Geisterstadt geworden ist. Saskia Hochschild, aufgewachsen in Bründeln und nach dem Abi am Hildesheimer Scharnhorst-Gymnasium ausgewandert, betreibt ein Café im New Yorker Stadtteil Harlem. Und erlebt die Krise aus verschiedenen Blickwinkeln.

Zunächst im Café Frederick, ihrem kleinen, aber feinen Bistro an der Ecke von 8th Avenue und 114. Straße. Nur vielleicht fünf Minuten zu Fuß sind es von hier zur Nordwestecke des Central Park. Unter der Woche kommen vor allem viele Freiberufler, die im Café an ihren Laptops arbeiten, an Wochenenden vor allem Familien, die sich zum Frühstück oder Brunch treffen. 25 bis 30 Plätze, im Sommer fast noch einmal die gleiche Anzahl draußen. 2014 hatte Saskia Hochschild das Café mit ihrem damaligen Ehemann eröffnet. „Ich wollte nach meinem Filmstudium erst einmal Geld verdienen.“ Und es lief nicht schlecht.

Mit Händewaschen fing es an

Doch das sollte sich im März ändern. Saskia Hochschild erinnert sich genau, wie das Coronavirus zu einem immer größeren Thema wurde. Ein Café wie das der 37-Jährigen wird in Krisenzeiten ein bisschen zu einem Seismografen, der gesellschaftliche Schwingungen erfasst. „In der ersten Märzwoche kam das Thema langsam auf“, erinnert sich Saskia Hochschild, und es klingt, als spräche sie über weit zurückliegende Ereignisse. „Man unterhielt sich vor allem über die Situation in Italien.“ Aber im Zentrum der Aufmerksamkeit habe das Virus nicht gestanden: „Präsident Donald Trump hat es heruntergespielt, man war ja auch mit anderen Dingen beschäftigt. Nur fing es an, dass sich man öfter die Hände wusch.“
Danach vollzog sich die Entwicklung rasend schnell: „Ich habe früh befürchtet, dass das ein großes Problem wird, weil wir in New York eng aufeinander hocken“, sagt Hochschild. Und tatsächlich: „In der zweiten Wochenhälfte wurde das Café zunehmend leerer.“ Die 37-Jährige sprach mit ihrer Anwältin bereits über eine Schließung und deren Konsequenzen. Dann kam am Sonntag – eigentlich dem belebtesten Tag – fast gar kein Gast mehr. Am Montag entschloss sich Hochschild, den Laden dichtzumachen. Am Dienstag hätte sie dann von Staats wegen ohnehin schließen müssen.

Streit der Parteien

Vor allem im März erlebte die frühere Bründelnerin die New Yorker als gespaltene Gesellschaft. „Die Anhänger von Trump haben das alles nicht so ernst genommen, zum Teil Behauptungen geglaubt, dass die oppositionellen Demokraten das Virus nutzen wollten, um Trumps Wirtschaftserfolge auszubremsen“, berichtet sie. „Gerade viele ältere Menschen waren nicht sehr vorsichtig.“ Ohnehin täten sich Amerikaner meist schwerer als Deutsche, sich vom Staat ihre Freiheit einschränken zu lassen.
Hinzu komme, dass viele New Yorker das teilweise dramatische Geschehen nur mittelbar wahrnehmen würden. „Natürlich ist es auf den Straßen leer, die meisten Geschäfte haben geschlossen“, berichtet Saskia Hochschild. „Aber wer zum Beispiel niemanden kennt, der im Gesundheitswesen arbeitet, der bekommt die Dramatik oft nicht so direkt mit.“ Ihr Ex-Mann allerdings sei Polizist – und wie seine Kollegen mit dem Angebot konfrontiert, sich für deutliche Gehalts-Aufschläge freiwillig zum Abtransport von Leichen zu melden, weil die Bestatter damit kaum hinterherkommen.

Lieber nicht in die Klinik

Ohnehin fürchtet Saskia Hochschild, dass weit mehr New Yorker erkrankt sind als offiziell bekannt. „Viele haben keine Krankenversicherung und keinen Hausarzt und gehen nicht ins Krankenhaus, weil sie Angst vor der Rechnung haben“, schildert sie. Auch sie selbst habe eine solche Versicherung nicht. Angst spüre sie nicht. Sondern durchaus auch Vertrauen in Verantwortliche. Gegenstück zu Trump sei für sie der Gouverneur des Bundesstaates New York, Andrew Cuomo: „Er sagt klar und sachlich, wie die Dinge liegen, ohne Panik zu verbreiten.“
Wann ihr Café wieder öffnen kann, steht in den Sternen. Die Absicherung sei aber nicht schlecht, berichtet sie. Ähnlich wie in Deutschland gebe es ein Gesetz, wonach Vermieter derzeit 90 Tage lang nicht kündigen dürfen. „Und danach wird man aufeinander zugehen müssen, weil ja ganz viele Ladenbetreiber und Immobilienbesitzer in der gleichen Lage sind.“ Zudem könne sie sich als Green-Card-Inhaberin arbeitslos melden und einen respektablen Satz bekommen.

„Es wird weitergehen“

Fazit: „Mir geht es gut, von mir wird ja nichts verlangt, als zu Hause zu bleiben.“ Das sei nichts im Vergleich zu dem, was Ärzte und Krankenpfleger derzeit leisten müssten. So verbringe sie ihre Zeit damit, wieder stärker Kontakte in die alte Heimat zu pflegen und für einige ältere Nachbarn einzukaufen. Unter strengen Vorkehrungen: „Jede Verpackung wird mit einem Desinfektionstuch abgewischt.“ Auch Spaziergänge im Freien seien erlaubt.

„Meine Mutter macht sich Sorgen um mich, aber ich mache mir viel mehr Sorgen um sie“, sagt Saskia Hochschild mit Blick auf ihre alte Heimat. Die neue will sie gleichwohl nicht aufgeben: „Es wird hier weitergehen, mit dem Café oder anders“, ist sie überzeugt. Und klingt, nicht nur vom leichten Akzent her, sehr amerikanisch.